Ausschlüsse in der ISO 9001
- Warum das in 2023 kein Thema mehr ist!
Ausschlüsse in der ISO 9001 sind nicht mehr möglich. Warum nicht und was Sie stattdessen tun sollten, können Sie in diesem Blog nachlesen.
- Der Begriff "Ausschluss" stammt aus der "alten" ISO 9001 von 2008.
- Die aktuell gültige Variante aus 2015 lässt keine Ausschlüsse mehr zu, sondern erlaubt es, einzelne Anforderungen begründet NICHT umzusetzen.
- Wer seinen Anwendungsbereich noch nicht in diese Richtung umgestellt hat, bekommt seit einiger Zeit deutliche Hinweise von seiner Zertifizierungsstelle oder den Auditor:innen.
Ausschlüsse
Worum geht es?
"Wir haben keine Messmittel und Entwicklung haben wir auch nicht."
Immer noch finden sich diese pauschalen Ausschlüsse in QM-Handbüchern. Was bis vor ein paar Jahren noch gängige Praxis war, ist heute nicht mehr möglich. Und das zu Recht.
Die ISO 9001 in der Version von 2015 sieht nämlich grundsätzlich keine Ausschlüsse mehr vor. Punkt.
Doch fangen wir vorne an:
Vor der letzten ISO-Revision war es üblich, dass ganze Kapitel durch die Anwender ausgeschlossen wurden. Am beliebtesten für die Ausschluss war das alte Kapitel 7.3 Entwicklung. Wurde von nahezu jeder Organisation ausgeschlossen. Und die Zertifizierungsstellen haben den Organisationen den Ausschluss quasi gleich als Erleichterung mitverkauft. Ohne Entwicklung weniger Risiko - weniger Risiko gleich weniger Auditzeit - weniger Auditzeit gleich weniger Geld für die Zertifizierungen.
Mit der Revision in 2015 war damit Schluss. Ausschlüsse sind qua Norm nicht mehr möglich. Trotzdem blieb es weitgehend bei der alten Praxis. Aktuell sind allerdings die DaKKs-Auditor:innen am Thema dran. Daher schauen alle intensiver auf die Thematik.
Aktuelle Situation
Das sagt die ISO 9001
Zitat 1: "Die Organisation MUSS sämtliche Anforderungen dieser Internationalen Norm anwenden, wenn sie innerhalb des festgelegten Anwendungsbereich ihres Qualitätsmanagementsystems anwendbar sind."
Zitat 2: "Die Organisation muss eine Begründung für JEDE Anforderung dieser Internationalen Norm liefern, die von der Organisation als nicht zutreffend hinsichlich des Anwendungsbereiches ihres Qualitätsmanagementsystems bestimmt wird."
Zitat 3: " Die Anforderungen, die als nicht zutreffend bestimmt wurden, dürfen nicht die Fähigkeit oder die Verantwortung der Organisation beeinträchtigen, die Konformität ihrer Produkte und Dienstleistungen sowie die Erhöhung der Kundenzufriedenheit sicherzustellen."
Was heißt das?
3 Punkte
- Ausschlüsse sind generell nicht mehr vorgesehen, schon gar nicht für ganze Kapitel.
- Wenn Sie glauben, dass Sie eine der vielen einzelnen ISO-Anforderungen tatsächlich nicht erfüllen können, dann müssen Sie das gut begründen.
- Wenn Sie etwas, was die Norm als sinnvoll ansieht und daher als Anforderung formuliert, aktuell noch nicht umsetzen, sollten Sie prüfen, inwieweit das die Fähigkeit ihres Unternehmens beeinträchtigt, Ihre Kunden zufriedenzustellen.
Wieso reden wir darüber?
Die DakkS hat´s gefunden.
Die DakkS (die Aufsichtsbehörde für Managementsysteme in Deutschland) ist auf das Thema aufmerksam geworden und "mahnt" aktuell alle Zertifizierungsstellen ab, die bei ihren Kunden Ausschlüsse zulassen oder Begründungen akzeptieren, die aus Sicht der DakkS-Auditor:innen nicht akzeptabel sind. Dafür schauen die Kolleg:innen auch gerne mal auf der Homepage nach.
Beispiele:
- Kapitel 8.3 (Entwicklung) können Sie nicht ausschließen, wenn Sie gleichzeitig damit werben, dass Sie maßgeschneiderte Produkte oder Dienstleistungen für Ihre Kunden entwickeln.
- Kapitel 7.1.5 (Ressourcen zur Überwachung Messung) können Sie nicht vollständig ausschließen, wenn Sie gleichzeitig ein Controlling-System betreiben (müssen). ABER - Sie können darstellen, dass "Messtechnische Rückführbarkeit" bei Ihnen kein Thema ist, weil Sie keine maßlichen Messmittel nutzen müssen. Sie können also darstellen, dass Sie diese einzelne Anforderung für Sie nicht relevant ist.
Zusammenfassend:
- Ausschlüsse kompletter Kapitel sind nicht mehr möglich, die Zertifizierungsstellen achten vermehrt darauf!
- Für einzelne Anforderungen wie beispielsweise die "messtechnische Rückführbarkeit" können Sie begründen, warum das bei Ihnen kein Thema ist.
Was ist zu tun?
Suchen, finden und begründen.
Sie gehen die komplette ISO-Norm durch (beispielsweise in einem internen Konformitäts-Audit) und filtern die einzelnen Anforderungen heraus, die für Sie keine Bewandnis haben. Neben den oben genannten (gängigen) Beispielen kann das sein:
- Sie sind ein Ein-Personen-Unternehmen und haben keine Mitarbeiter:innen: Dann macht die Anforderung 5.1.1 j) (andere relevante Führungskräfte unterstützen) für Sie keinen Sinn. Müssen Sie also nicht anwenden.
- Sie machen tatsächlich alles intern - an Ihrer Dienstleistung sind keine externen Dienstleister beteiligt, Sie greifen nicht auf externe Produkte zurück und Sie haben keine Teilprozesse oder Prozesse vergeben - dann hätte das Unterkapitel 8.4.3 (Externe Prozesse, Produkte und Dienstleistungen) für Sie keine Relevanz.
Alles, was Sie so identifiziert haben, schreiben Sie inklusive der wasserdichten Begründung in den "Anwendungsbereich des Qualitätsmanagement". Der muss ja als dokumentierte Information vorliegen. Und dann prüfen Sie regelmäßig, ob das, was Sie so festgelegt haben, immer noch stimmt.
Und dann klappt das auch wieder mit den Zertifizierungsstellen und den Auditor:innen :-)
Häufige Fragen
Wenn Sie im Bereich Dienstleistung unterwegs sind - gar nicht. Denn Sie entwickeln ja permanent Dienstleistungen oder Produkte für Ihre Kunden. Falls Sie zusätzlich zur ISO 9001 noch eine AZAV-Zulassung haben, können Sie Entwicklung auch nicht ausschließen - die AZAV verlangt ein Verfahren zur Entwicklung von Konzepten und Maßnahmen. Wenn Sie ein Tischlereibetrieb sind und Ihr Kunde möchte einen Tisch von Ihnen, den Sie dann individuell herstellen - auch das ist Entwicklung.
Nicht anwendbar wäre das Kapitel beispielsweise für Firmen, die ausschließlich fertige Produkte vertreiben. Aber auch dann könnten Sie mit Ihrem Auditor eine Diskussion darüber verwickelt werden, ob Sie nicht grundsätzlich Ihre Firma oder Ihre Abläufe weiterentwickeln ...
Also - die Chance, dass Sie auf Dauer damit durchkommen, dass Sie Entwicklung ausschließen geht gleich Null.
Nicht viel, außer, dass Ihr Auditor oder Ihre Auditorin Sie darauf aufmerksam macht und Ihnen eine Abweichung / Feststellung schreibt. Dann müssten Sie den Anwendungsbereich ändern.
Ihre Zertifizierung ist dadurch in keinster Weise in Gefahr.
- Sie ändern den Anwendungsbereich
- Sie prüfen, ob Sie zusätzliche Prozesse oder Verfahren definieren müssen.
- Meistens sind diese Prozesse aber schon da (Entwicklung von Konzepten, Entwicklung von Webinare, Entwicklung von Trainings) - dann erübrigt sich auch das.
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Wer schreibt?
Als Auditorin und Beraterin mit über 20-jähriger Erfahrung begegnen mir sehr oft behäbige, statische oder überbürokratische QM-Systeme. Gegen dieses ungenutzte Potenzial möchte ich etwas tun.
Für mich bedeutet gutes QM Kommunikation, Reflektion, gemeinsame Entwicklung von und Arbeit an Zielen. Das alles mit großem Sachverstand, Verantwortungsbewusstsein und Freue an der Arbeit mit Menschen.
In meinem Blog teile ich gerne mein Wissen und erprobte Methoden.
Ursula Wienken, Ihre Qualitätsexpertin
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