Objektive Feststellungen formulieren
... ist gar nicht so einfach.
Damit tun sich auch externe Auditor*innen immer noch schwer.
Beispiel: Ein Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden muss beschrieben werden.
Was würden Sie sagen? Ist das eine gute Feststellung?
Die Auflösung ...
Nein, ist es nicht. Denn das, was oben steht ist eine Maßnahme, ein to-do.
Aber fangen wir von vorne an.
Die wichtigste Aufgabe von internen und externen Auditor*innen ist es, objektive Feststellungen zu treffen, die von Personen, die am Audit beteiligt waren oder im Nachhinein den Auditbericht lesen, verstanden und akzeptiert werden.
Dabei gibt es viele Stolperfallen - zum Beispiel die, dass manchmal schon to-dos formuliert werden statt einer objektiven Feststellung. Dazu aber gleich noch mehr.
Stolperfalle 1
Statt einer objektiven Bewertung formulieren Auditor*innen Meinungen oder Eindrücke.
Beispiel:
Der Umgang mit Beschwerden erfolgt unzureichend.
Klingt wie eine objektive Feststellung - ist aber keine. "Der Umgang mit Beschwerden erfolgt unzureichend" ist keine faktengestützte Information, sondern eine intransparente und damit für die Adressaten wenig nachvollziehbare Bewertung.
Das Problem - die Adressat*innen Ihres Auditberichtes können Ihnen gegebenfalls in Ihrer Einschätzung folgen oder Ihnen glauben - sie können aber nicht nachvollziehen, was Sie genau im Audit festgestellt haben. Den Leser*innen fehlt die Information, was genau denn unzureichend war.
Leser*innen kennen so zwar Ihre Einschätzung der Sachlage, die Frage "Was haben Sie tatsächlich festgestellt?" bleibt offen.
Warum ist das mit den objektiven Feststellungen so schwierig?
Ganz einfach.
Weil wir im normalen Leben genauso funktionieren.
Wir kommunizieren ganz häufig in Meinungen, Einschätzungen und inneren Bewertungen.
Beispiel:
"Sie Suppe schmeckt furchtbar."
Übermitteln Sie diese Information so an den Koch, wird er zwar verstehen, dass etwas nicht in Ordnung war. Er hat aber keine Möglichkeit, etwas zu verbessern. Ihm fehlt die objektive Feststellung.
Wie kann man diese Situation ins Audit übertragen?
Statt in den Raum zu stellen, dass das Beschwerdeverfahren unzulänglich verläuft, was meinem spontanen nicht professionellen persönlichem Eindruck entspricht, fokussiere ich mich als Auditorin auf das, was ich tatsächlich festgestellt habe.
Nämlich: In den Stichproben, die ich gezogen habe, konnte in zwei von vier Fällen nicht nachgewiesen werden, dass die eigentlich vorgesehene Rückmeldung an den Beschwerdeführer erfolgt ist.
Das sind die Fakten. Und genau die gehören in eine objektive Feststellung.
Jetzt kommt die Bewertung!
Die Bewertung folgt der Feststellung auf den Fuß.
Aber eben nicht als persönliche Einschätzung, Meinung oder Unmutsäußerung, sondern ebenfalls objektiv auf Grundlage meiner Kriterien. In diesem Fall bewerte ich die Feststellung als Abweichung, konkret als nicht-kritische Abweichung.
Warum? Hier wird ein Verfahren nicht umgesetzt. Daher Abweichung. Es waren lediglich zwei von Beispielen, daher nicht-kritisch. (wenn Sie das anders bewerten - gerne. Hauptsache, Sie bleiben transparent und verlässlich.)
Die korrekte Feststellung würde also lauten:
In zwei von vier Stichproben konnte nicht nachgewiesen werden, dass eine Rückmeldung an die Beschwerdeführer*innen erfolgt. Damit wird der Prozess nicht in allen Fällen wie beschrieben umgesetzt. (Abweichung nicht-kritisch).
Gar nicht so schwierig, oder?
Hier ein paar Fingerübungen für Sie - Fakten oder objektive Bewertung?
"Sinnvoll" ist eine intransparente Bewertung. Daher eher Meinung als objektive Feststellung.
Geht schon deutlich in die richtige Richtung. Man kann noch über das "schnell" diskutieren.
Geht aus unterschiedlichen Gründen so nicht. Erstens werden keine Personen auditiert, sondern Prozesse. Die Formulierung müsste also mindestens heißen: Die Prozesse und Verfahren werden "gut" umgesetzt. Das ist aber natürlich immer noch nicht objektiv. Was ist mit "gut" gemeint?
Siehe oben. Wer immer das liest, hat keinerlei Informationen darüber, was tatsächlich festgestellt wurde. Aber sie kennen nun die Meinung des Auditors. :-).
Stolperfalle 2
Statt Feststellungen werden Aufgaben und to-dos formuliert.
Die Mitarbeiter*innen müssen dafür sensibilisert werden, dass das Verfahren zum Beschwerdemanagement eingehalten wird.
Das ist ebenfalls keine objektive Feststellung, sondern eine Verbesserungsmaßnahme. Die Sie als Auditor*in nicht nur vorschlagen, sondern vorgeben.
Das ist gleich aus mehreren Gründen ungünstig.
- Sie überspringen die Ursachenanalyse und gehen davon aus, dass der Fehler darin liegt, dass die Mitarbeiter*innen nicht wissen, es wichtig ist, dass die Rückmeldung an den Beschwerdeführer zu erfolgen hat. Damit das nicht wieder vorkommt sollen sie sensibilisiert werden. Was aber, wenn die Mitarbeiter*innen genau wissen, dass es wichtig ist und es trotzdem nicht tun? Weil sie beispielsweise das Verfahren zu kompliziert finden? Dann laufen Sie mit Ihrer Vorgabe ins Leere.
- Es ist nicht Ihre Aufgabe, vorzugeben, WIE die Abweichungen beseitigt werden sollen. Diese Aufgabe liegt in der Verantwortung der "für den auditierten Bereiche verantwortlichen Personen."
- Sie machen sich das Leben als Auditor*in unnötig schwer. Denn solche Vorgaben können schnell als zu direktiv empfunden werden. Ihre Mitarbeiter*innen mögen das nicht und schon sind Sie in einer angeregten Diskussion darüber, warum es nicht sinnvoll ist, Ihrer Vorgabe zu folgen. Die eigentlich Feststellung gerät in den Hintergrund.
Und hier noch die ultimative Anleitung für gut formulierte Feststellungen in 4 einfachen Schritten
Funktioniert grundsätzlich für alle Feststellungen!
Was soll sein?
- Soll -
"Im Prozess ist verpflichtend vorgesehen, dass zu jeder Beschwerde eine Rückmeldung an die jeweilige Beschwerdeführer*in erfolgt."
Was ist tatsächlich?
- Ist -
"In zwei von vier Stichproben im Audit konnte das nicht nachgewiesen werden. Eine Rückmeldung an die Beschwerdeführer*innen ist nicht erfolgt."
Was ist entsprechend (noch) nicht?
- Delta -
Damit wird der Prozess nicht zuverlässig wie beschrieben umgesetzt.
Wie ist das zu bewerten?
- Bewertung -
Abweichung, nicht - kritisch
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